2014

sanierung parlament wien

gemeinsam mit anderhalten architekten

eu weiter, nicht offener realisierungswettbewerb
  • wettbewerb
beletage und bellevue
das parlamentsgebäude kann heute in den vorhandenen räumlichen strukturen die zukünftigen aufgaben eines bürgernahen hauses der demokratie und zeitgemäße arbeitsbedingungen der parlamentarier nicht gewährleisten. das räumliche potenzial innerhalb des bestandes ist stark eingeschränkt. als erweiterungsflächen identifizierte bereiche unterhalb der beiden sitzungssäle und im dachgeschoss ermöglichen kaum die realisierung qualitätsvoller ausreichend belichteter und erschlossener räume. 
ein hervorragendes, bisher unentdecktes, räumliches potenzial liegt jedoch in der entwicklung einer neuen dachkontur. 
als pendant zur beletage mit ihrer prachtvollen säulenhalle und den beiden voluminösen sitzungssälen wird das parlamentsgebäude zukünftig mit einem großartigen bellevue als neuem gebäudeabschluss komplettiert. dabei wird die bestehende silhouette des parlaments nicht gestört, vielmehr bildet das neu aufgelegte volumen einen angemessenen abschluss und einen ausgewogenen hintergrund zum skulpturalen attikaschmuck des gebäudes.
das bellevue fügt sich wie selbstverständlich als zukunftsfähiger baustein in die historische fassung des parlamentsgebäudes ein.
die veränderung des bestandes bleibt äußerlich fast unsichtbar und tritt erst in der fernwirkung, vor allem bei dunkelheit, weithin strahlend als selbstbewusstes zeichen der demokratie und neugewonnenen transparenz des historischen parlaments in erscheinung.
scheinbar schwerelos schmiegt sich der fragile körper auf die zentrale gebäudemasse des altbaus. einer ausladenden tragfläche gleich kontrastiert das neue dach in form und materialität gegenüber dem bestand. der neue flügel erweitert und beschirmt das darunterliegende, sich nun nach oben öffnende historische gebäude. durch das neue transparente bauvolumen fällt gefiltertes tageslicht tief in die säulenhalle und die beiden sitzungssäle
hoch über den dächern von wien gewährt eine großzügige nach osten ausgerichtete terrasse parlamentariern wie besuchern einen grandiosen blick über die stadt.
das bellevue findet als neues inlay seine präzise räumliche wie konstruktive passung beidseitig der säulenhalle. über großzügige treppenanlagen erfolgt hier die interne verzahnung des neubaus mit allen ebenen des parlamentsgebäudes.

modularität
grundsätzlich können die grundsanierung der historischen raumschalen und die erweiterung des gebäudes in der dachebene unabhängig und zeitlich voneinander entkoppelt realisiert werden. es liegt jedoch nahe, zur räumlichen entlastung der vorhandenen kubatur wie zur anlage neuer technischer installationen und notwendiger rettungswege zunächst das potenzial der dachlandschaft durch den neubau zu entwickeln. die historischen räume, incl. beider sitzungssäle, können, vor den baumaßnahmen in der dachebene geschützt, zunächst weiterhin genutzt werden. die historisch wertvollen raumoberflächen bleiben auch zukünftig weitestgehend unangetastet. neue technische installationen erfolgen über flankierende schächte oder aus dem neuen dachvolumen.
neben den neu hinzu gewonnenen räumlichen erweiterungen auf beiden bellevueebenen steht 
aktivierbares modulares potenzial zum ausbau von arbeitsbereichen im 3. obergeschoß in der gebäudemittelachse zwischen eingangshalle und lokal vi sowie oberhalb der sitzungssäle zur verfügung.
wesentliche reserven für die zukünftige weiterentwicklung des gebäudes sind ebenfalls die großflächigen erdgeschossigen raummodule unter beiden sälen. hier sind öffentlich zugängliche bibliotheks- und archivbereiche denkbar die optimal erschlossen werden können und das räumliche potenzial ohne tageslichtbezug optimal nutzen.

öffnung des hauses
die öffnung des parlaments zur öffentlichkeit und die besucherführung innerhalb des hauses sind von zentraler bedeutung für das haus der demokratie. der heutige besuchereingang wird in seiner lage und funktion bestätigt. die zu- und ausgangskontrollen werden jedoch deutlich erweitert um den zukünftigen besucherandrang verzögerungsfrei in das gebäude leiten zu können. die weitläufigen, heute ungenutzten flächen unterhalb der säulenhalle übernehmen zukünftig die zentralen funktionen der besucherinformation. sie bilden den ausgangspunkt der besucherführung und die schnittstelle zur parlamentarischen arbeit. hier werden ein besuchercafe und shopflächen wie die demokratiewerkstatt und seminarzonen etabliert. die neue großzügige erschließungsfläche erlaubt die entzerrung aber auch gezielte begegnung der wege von besuchern und parlamentariern.

brandschutz
im sinne des vorbeugenden brandschutzes wird die gebäudestruktur bereinigt, abstände zwischen den einzelnen baukörpern von nachträglich eingebauten nutzungen befreit und dadurch wieder eigenständige baukörper mit beherrschbaren flächen und volumen geschaffen.
in den neu geschaffenen nutzflächen kann durch moderne anlagentechnik ein sicherheitsniveau, das dem stand der technik entspricht, hergestellt werden.

brandabschnitte
die brandabschnittsgrößen  werden  entsprechend  den  nutzungen und der geplanten anlagentechnik gewählt. die trennung verschiedener brandabschnitte wird durch die herstellung neuer und nutzung bestehender bauteile in der erforderlichen feuerwiderstandsdauer hergestellt oder durch eine kombination aus bauteilen und anlagentechnischen einrichtungen. 

fluchtwege 
die fluchtwege in den bestandsbereichen erreichen jeweils ein stiegenhaus innerhalb von 40m. darüber hinaus ist entweder ein zweites fluchtstiegenhaus oder ein angrenzender brandabschnitt zu erreichen.die neuen dachebenen werden über insgesamt 6 fluchtstiegenhäuser erschlossen. diese verbinden alle geschossebenen und werden im untergeschoss zu einem eigenen unabhängigen endausgang geführt. 
für mobilitätseingeschränkte personen wird sichergestellt, dass diese barrierefrei einen angrenzenden brandabschnitt erreichen können. für die dachebenen ist zusätzlich zum feuerwehraufzug ein evakuierungsaufzug vorgesehen.

brandfrüherkennung
das gesamte gebäude  wird  mit einer brandmeldeanlage ausgestattet. dies soll einerseits die personen im vom brand betroffenen gebäudebereich ehest möglich alarmieren und andererseits eine brandbekämpfung zum zeitpunkt der brandentstehung ermöglichen, sodass eine brandausbreitung so weit wie möglich begrenzt werden kann.

rauchableitung
die rauchableitung aus den bestehenden nutzungen erfolgt grundsätzlich über öffenbare fenster. für die dachebenen werden definierte öffnungen mit über brandmelder angesteuerte rauch- und wärmeabzugsanlagen erstellt.

löschanlage/brandbekämpfung
zur begrenzung der gefahr der brandausbreitung wird in den neuen dachebenen und im bereich unterhalb der säulenhalle eine sprinkleranlage eingebaut. 
zur brandbekämpfung steht im gesamten gebäude zukünftig eine nasssteigleitung zur verfügung.

integration der neuen architektur in den denkmalgeschützten bestand
die realisierung eines zeitgemäßen, zukunftsfähigen parlamentsbetriebes ohne eingriffe in die historisch wertvolle bausubstanz erscheint unmöglich. zur lösung dieses dilemmas werden gezielte ansatzpunkte zur räumlich-konstruktiven neuordnung definiert.

christian kühn postuliert zum umbau des parlaments in seinem artikel „bauen für die demokratie“ 2011:

„es wäre absurd, die adaptierungen, die dieses haus braucht, „im geiste hansens“ durchführen zu wollen, wo es doch heute um andere anforderungen in einem völlig anderen politischen und kulturellen kontext geht.“ und weiterhin:

„...mit verstand und gefühl zerstören, um ergänzungen auf dem höchsten niveau zu schaffen, das wir heute erreichen können. „

diese „definierte zerstörung“ erfolgt in den raumachsen parallel der säulenhalle über alle geschosse. die hier vorgefundenen nebenraum-  und erschließungszonen werden entfernt. dieser konstruktive „befreiungsschlag“ liefert das räumliche potenzial zur neuordnung der kernzone des gebäudes und zur erschließung der zukünftigen dachebenen. 
die entstehenden „leerräume“ werden kontrastierend zum polychromen bestand monochrom weiß gefasst. die spuren ehemaliger wand- und deckenanschlüsse bleiben im relief der umfassungswände als zeugnisse der zweiten umbauphase des parlaments erhalten. die stirnseiten zu den innenhöfen werden voll verglast und erzeugen so lichtdurchflutete raumzonen. diese abstrakten und von allem dekor befreiten räume vermitteln zwischen den sitzungssälen und der säulenhalle wie zwischen beiden eingangsebenen und dem dachvolumen. 

der einzige in der kernzone erhaltene raum ist das historisch wertvolle sprechzimmer der parlamentarier das erhalten und restauriert wird. der vermeintliche verlust an historischen oberflächen wird durch die neu gewonnene räumliche großzügigkeit mehr als ausgeglichen. 
die heute hoch verdichtete struktur kann nun atmen und zeigt ungeahnte dimensionen.
die neuen vertikalerschließungen werden als skulptural definierte körper frei in die raumvolumen eingestellt und binden alle ebenen behindertengerecht an.
das volumen des bellevue ist in seiner gesamten ausprägung als additiver baukörper zum bestand von außen klar ablesbar. die rationelle gestaltung der außenhaut spiegelt die klare strukturelle ordnung und die funktionen des baukörpers wieder. in abhängigkeit zur inneren nutzung wird diese transparent oder opak mit wärmegedämmten paneelen ausgeführt. 
außenliegende sonnenschutzlamellen aus nachführbaren aluminiumprofilen und photovoltaikelemente sorgen für den notwendigen sonnenschutz und nachhaltigen solaren energieertrag. der konstruktive kontakt des neubaus zum bestand erfolgt nur partiell zur lastableitung. innenräumlich tritt der neubaukörper als oberer abschluss der neuen erschließungsspangen in erscheinung. 
innerhalb des dachvolumens werden auf zwei ebenen lokale und gastronomie funktional und räumlich optimiert organisiert. die funktionseinheiten werden als klimaautarke raummodule innerhalb des daches frei eingestellt. weitläufige erschließungsflächen und eine großzügige dachterrasse bieten ausreichend raum zu kommunikation und entspannung.

nationalratssitzungssaal
der nationalratssitzungssaal wird als architektonisches zeugnis des wiederaufbaus in seiner bestehenden räumlichen und materiellen ausprägung erhalten. durch präzise platzierte öffnungen wird der saal zum lichtdurchfluteten raumvolumen. die saalrückwand öffnet sich über zwei großformatige fenster zum erschließungsraum und gewährt gleichzeitig besuchern den blick in den sitzungssaal. das umlaufende beengte raumvolumen des couloirs wird großzügig bis zur südfassade erweitert. die anordnung des plenums wird unter anhebung der bodenplatte optimiert und barrierefrei organisiert. die gesamte möblierung wird als modulares system ausgeführt und kann im bedarfsfall über einfache stecksysteme schnell wechselnden fraktionsstärken angepasst werden. die ausrichtung der beiden besuchergalerien wird in der neigung geringfügig angepasst, so kann die sicht von allen besucherplätzen optimiert werden. die zukünftige atmosphäre des saales und seiner unmittelbaren umgebung spiegelt eine neu interpretierte funktionale gestaltung der 50er jahre. 

innovative statik
die bestehenden dachkonstruktionen im bereich der mittleren gebäudetrakte, zwischen nationalrat- und bundesversammlungssaal, werden abgetragen und durch eine leichtkonstruktion ersetzt. 
zunächst wird eine leistungsfähige stahlverbundkonstruktion errichtet. diese übernimmt die wirkung einer verbundebene für den gebäudebestand und dient gleichzeitig als installationsebene der gebäudetechnik zur versorgung der unter ihr liegenden gebäudeteile und des neuen baukörpers selbst.
als auflager der neuen ebene können die querwände des bestandes qualifiziert werden. die neubauebene wird aus fachwerken gebildet über denen trapezprofile spannen, die den hochfesten leichtbeton der verbunddecke aufnehmen. dadurch wird ein extrem leichtes konstruktionsgewicht erreicht, dass im wesentlichen nicht schwerer ist als die bestehende dachkonstruktion inklusive dachgeschoßdecke.
die eigentliche dachkonstruktion wird ebenfalls als filigrane leichte stahlkonstruktion errichtet, die zweite neubauebene ist als gewichtsminimierte hohlkörperdecke konstruiert.

lastfall erdbeben
durch den speziellen lösungsansatz der schubsteifen neubaukonstruktion im mitteltrakt müssen im erdbebenfall nur die bereiche der nebentrakte im dachgeschoß mit einer horizontal lastverteilenden decke versehen werden, um das versagensrisiko auf das für einen neubauzustand erforderliche anzuheben. 
integration der technischen gebäudeausrüstung
das bestehende gebäudetechnische konzept wird von grund auf überarbeitet. es werden klare und übersichtliche strukturen geschaffen. mit ausnahme der lüftungszentralen werden die vorhandenen technikzentralen weiterhin verwendet, die raumheiz- und -kühlsysteme jedoch von grund auf erneuert. 
alle mechanisch be- und entlüfteten räume verfügen über eine definierte zu- und abluftführung, es werden ausgeglichene luftbilanzen geschaffen. die bestehenden luftführenden kollektoren werden großteils für andere medien freigemacht.die elektroinstallationen werden zukünftig strikt von den übrigen installationen getrennt geführt.

lüftung
zwei neue zu- und abluftanlagen werden in der kernzone auf ebene 3 parallel zu den saalrückwänden platziert. diese anlagen versorgen die angrenzenden säle und die lokale auf dachebene. die luftführung in den sälen wird beibehalten. die lokale werden über eine quellüftung versorgt. im sommer kann über eine wärmerückgewinnung eine adiabate zuluftkühlung zur entlastung der kälteanlagen realisiert werden. 
im winter ist eine befeuchtung der zuluft über heizregister und kaltdampfgenerator vorgesehen. 
die anlagen werden auf die maximal zulässige personenanzahl dimensioniert und mittels co2-messung an den variablen bedarf angepasst.
die zu- und abluftanlagen der östlichen und westlichen trakte werden auf ebene 3 in den dachböden unterhalb jeweils zweier quadrigas, mit regenerativen wärmerückgewinnungen mit wärmetauschern errichtet.
das lokal vi wird aus dem unmittelbar darüber liegenden dachboden versorgt. die zuluft wird über weitwurfdüsen über bestehende lüftungskanäle in den raum eingebracht und über die bestehenden wandgitter abgesaugt. 
die zu- und abluftanlagen der gastronomie werden in seitlichen technikräumen platziert und mit einer rekuperativen wärmerückgewinnung ausgerüstet.

heizung
die bestehenden umformer bleiben weiterhin in verwendung, die mit öl befeuerten kessel werden erneuert. das komplette verteilersystem incl. ventilen und pumpen wird für einen dem bedarf angepassten betrieb ausgerüstet.
für die raumheizung werden in der regel statische heizflächen mit thermostatventilen vorgesehen. für die im boden verlegten anbindeleitungen  werden nur geringe partielle öffnungen der historischen böden erforderlich.
das lokal vi und die neuen ausschusslokale auf dachebene werden über fußbodenheizungen temperiert.

klimakälte
die bestehenden hauptkälteerzeuger werden weiterhin verwendet, die „offenen“ kühltürme demontiert. das konzept basiert auf der entlastung der kälteanlage durch den einsatz adiabater kühlungen in den hauptlüftungsgeräten. die restliche abwärme wird über beidseitig der eckpylone der säulenhalle abgeführt. die hydraulik und regelung wird dem stand der technik angepasst.

sanitär
die gesamte sanitäre ver- und entsorgung des gebäudes wird neu errichtet. für nassgruppen mit erhöhter entnahme wie für die küche werden zentrale warmwasserbereitungen im durchlaufprinzip  entlegene oder sporadisch genutzte verbraucher werden mittels dezentraler e-speicher versorgt.  für das gesamte gebäude werden ein einheitliches hochwertiges sanitärkeramikprogramm und armaturen mit wasserspareinrichtung ausgewählt.

msr
sämtliche anlagen werden mit autark arbeitenden unterstationen ausgerüstet, denen eine glt-anlage übergeordnet ist. es werden ausschließlich „offene“ systeme und komponenten verwendet. das system wird neben der regelung auch eine auf die anlagen abgestimmte verbrauchserfassung übernehmen und mit monitoringfunktionen und langzeitdatenspeichern ausgerüstet.

elektrotechnik
die gesamte stark- und schwachstromtechnik wie die edv- und telefonanlage werden erneuert.
bei der trassenführung werden vorhandene trassen aktiviert bzw. neue schacht- und trassenführung unter absoluter rücksichtnahme auf die bestandsoberflächen realisiert. die horizontale erschließung erfolgt weitestgehend auf ebene -1 und in der konstruktionsebene dachgeschoss. unterverteilungen werden bedarfsbezogen an nicht einsehbaren position des gebäudes realisiert.
die elt- und datenanschlüsse werden in den lokalen vi und bellevue über bodentanks realisiert. in allen übrigen räumen erfolgt die installation weitestgehend oberflächenschonend im bereich von einbaumöbeln oder sockelleisten. in ergänzung des zentralen elt- gebäudemanagements wird für das gesamte parlament wird ein adäquates schalterprogramm ausgewählt.

beleuchtung und sicherheitsbeleuchtung
vorhandene, historisch bedeutsame leuchten werden entsprechend den geltenden normen adaptiert und mit neuer technik ausgestattet. erforderliche neu hinzu gefügte beleuchtungskörper werden als reduzierte aber kontrastierend zeitgemäße leuchten eingesetzt. die beleuchtungsstärken werden dem erforderlichen maß der jeweiligen räumlichen situation angepasst. als leuchtmittel kommen
soweit möglich energiesparende leuchten und led-technik zum einsatz.  die gesamte sicherheitsbeleuchtung wird auf den aktuell erforderlichen stand gebracht.
adresse:
wien, österreich

architektur:
fasch&fuchs.architekt:innen
, anderhalten architekten gmbh
projektpartner:
anderhalten architekten

statik:
werkraum ingenieure zt gmbh

rendering:
fasch&fuchs.architekt:innen


wettbewerb:
2014